Studieren mit unsichtbarer Behinderung – eine Betroffene erzählt

Frau am Schreibtisch, die sich Notizen macht.

 

Eine Behinderung – was ist das eigentlich?

Diese Frage lässt sich nicht so leicht beantworten, denn was gemeinhin als Behinderung aufgefasst wird, kann in vielen Formen und Ausdrucksweisen daherkommen – und dann gibt es auch noch jene Art von Behinderung, die auf den ersten Blick überhaupt nicht wahrgenommen wird: Die Rede ist von der sogenannten „unsichtbaren Behinderung“. Beispiele hierfür sind chronische Erkrankungen und Behinderungen, die mit Müdigkeit und schneller Erschöpfbarkeit einhergehen und somit die gesellschaftliche Teilhabe beeinträchtigen. Auch die Aplastische Anämie und Paroxysmale Nächtliche Hämoglobinurie können dazuzählen. Während bei unsichtbaren Behinderungen die mögliche Stigmatisierung durch andere ab Minute eins des Kennenlernens zwar wegfällt, führt dieses Nicht-Erkennen der Behinderung aber auch zu einer manchmal überfordernden Erwartungshaltung.

Hiermit hat auch Ly Tran immer wieder zu kämpfen: Ly ist Linguistik-Studentin und berichtet in der Podcast-Reihe „Studieren mit Behinderung“ der Universität Potsdam von ihren eigenen Erfahrungen. Ly begann ihr Studium wie die Mehrzahl ihrer Kommiliton.innen voller Energie und Motivation. Während der ersten Semester erkrankte sie jedoch und entwickelte eine unsichtbare Behinderung mit anstrengenden Phasen der Müdigkeit und Kraftlosigkeit. Lang dauernde Veranstaltungen, kurze Fristen für Hausarbeiten oder Seminarräume im vierten Stock – all das sind Barrieren, die Ly das Studieren schwer machten. Sie konnte nicht alle erforderlichen Kurse belegen, wechselte schließlich den Studiengang hin zur Linguistik und entschied sich dazu, mit ihrer Behinderung offen umzugehen. Im Podcast erzählt sie von den Hilfsangeboten, die Studierende an der Uni Potsdam wahrnehmen können. Von der psychischen Beratungsstelle wurde Ly an die Behindertenbeauftragte der Universität weitergeleitet, bekam alsbald einen Termin und erfuhr dort unter anderem vom Konzept des „Nachteilsausgleichs“: Aus einer Behinderung darf laut Gesetz für die betroffene Person kein Nachteil entstehen. Also werden die Umstände an die gegebene Situation möglichst gut angepasst, beispielsweise bekommt eine Person mit Behinderung längere Schreibzeit bei einer Klausur oder für eine Hausarbeit. Dies war für Ly eine große Erleichterung: „Ich [kam] durch die längere Bearbeitungszeit zu besseren Ergebnissen“. Der Career-Service der Uni, der beispielsweise Workshops zum Thema „unsichere Lebensphasen navigieren“ veranstaltet, berät Betroffene bei potenziell belastenden Themen wie der Jobsuche.

Ly erzählt, dass sie dankbar ist, all diese Hilfsangebote an ihrer Universität vorzufinden. Auch die Online-Veranstaltungen während der letzten drei Covid-Semester haben ihr das Studieren in gewisser Hinsicht erleichtert, da ihr lange Anfahrten erspart blieben und sie sich tagsüber jederzeit hinlegen und ausruhen konnte. Trotzdem ist auch für sie ein Studium ohne direktes soziales Miteinander auf Dauer keine Alternative – vielmehr würde sich Ly wünschen, dass das Thema „Studieren mit Behinderung“ nicht ihre persönliche Angelegenheit bleibt, sondern dass sich alle Dozierenden und Kommilton.innen mehr damit auseinandersetzen.

Wenn Sie selbst studieren oder sich für das Thema „Studium mit Behinderung“ interessieren, empfehlen wir Ihnen die gleichnamige Podcastreihe der Universität Potsdam, die in diesem Jahr anlässlich der Verabschiedung des Inklusionskonzepts der Uni veröffentlicht wurde. Hier finden Sie neben Lys Beitrag noch vier weitere Berichte über Studium und Leben mit Behinderung.

Weitere Informationen zum Thema “Behinderung und Beruf” finden Sie auf der Website der BIH Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen und in deren Broschüre “ABC Fachlexikon“, die Sie bei Bedarf auch bei Ihrem Integrationsamt bestellen können.

Text: Katharina von Villiez